21 Jun 2023

Political Monitor Q2 - Vollversion

 Ausgabe Q2 2023

 

Liebe APSCo Deutschland Mitglieder:innen, 

 

unsere Branche spielt eine entscheidende Rolle in der Deutschen Wirtschaft. Diese Botschaft tragen wir proaktiv in die Politik, jüngst durch Briefe an das Bundesarbeitsministerium (BMAS), das Bundesinnenministerium (BMI) sowie Mails an ausgewählte Abgeordnete des Deutschen Bundestages. 

Der Austausch mit Euch im Rahmen unserer Diskussionsrunden, wie kürzlich zur Plattformregulierung der EU und der EU Data Regulation, unterstützen uns in unserer politischen Arbeit eure Positionen aufzugreifen und entsprechend an politische Akteure zu tragen. Vielen Dank für Euer Engagement.  

Thomas Andre Sola APSCo Deutschland.png

Aktiv war auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der in diesem Quartal mit dem Gesetz zur Stärkung eines inklusiven Arbeitsmarktes bereits einen Erfolg für sein Ministerium verzeichnen kann. Das Gesetz wurde vom Deutschen Bundestag in der dritten Lesung am 20. April angenommen und der Bundesrat hat am 12. Mai zugestimmt. Es wurde am 13.06.2023 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und tritt vierzehn Tage nach Veröffentlichung in Kraft. Das Gesetz ist auf Initiative des BAMS entstanden, mit dem Ziel, Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen in reguläre Arbeit zu bringen und zu halten (APSCo Political Monitor Q1 2023). 

Doch das ist noch nicht alles. Im Bundestag herrscht Hochkonjunktur, denn vor der parlamentarischen Sommerpause, die am 10. Juli beginnt, möchte Minister Heil möglichst viele Vorhaben vom Tisch haben. Das zeigt sich daran, dass im zweiten Quartal 2023 die angekündigten Vorhaben zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz und zum Aus- und Weiterbildungsgesetz auf den Weg gebracht wurden (APSCo Political Monitor Q1 2023). 

Mit der Überarbeitung des Bundestariftreuegesetzes hat Minister Heil ein weiteres Vorhaben wieder auf seiner politischen Agenda, nachdem das Thema vergangenes Jahr nach einer intensiven Diskussion vorerst gestrichen wurde. Nun nimmt die Überarbeitung des Entwurfs an Fahrt auf und soll wohl bis zur Sommerpause als Gesetz noch ins Parlament. 

Zum Schluss möchte ich eine gute Meldung für unsere Branche mit Euch teilen: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat Zeitarbeitstarife nun als europarechtskonform bestätigt. Weitere Informationen hierzu finden sich in unserem Newsletter.

Liebe Mitglieder, ich wünsche Euch eine informative Lektüre und möchte mich an dieser Stelle noch bei Marco Raschia und Magdalena Polzin bedanken. Beide setzen sich mit voller Kraft und ehrenamtlich für das Political Lobbying ein und sind maßgeblich an dem Vorantreiben unserer Aktivitäten bei diesem Thema tätig. 

Euer
Thomas André Sola

 


Aus der Bundesregierung


Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) bereitet im zweiten Quartal 2023 aktuell folgende Vorhaben für die Einbringung in den Bundestag vor: 

Verbindliche Erfassung von Arbeitszeiten


Minister Heil möchte das Deutsche Arbeitszeitgesetz von 2022 reformieren (APSCo Political Monitor Q1 2023). Das BMAS hat einen Referentenentwurf für eine Neufassung vorgelegt, durch welche die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs näher ausgestaltet werden. Unter anderem enthält es Spezifizierungen, wie die elektronische Aufzeichnung, Bußgelder bei Verstößen und Ausnahmeregelungen erfolgen sollen.

Der Referentenentwurf wird von Gewerkschaften und Arbeitnehmerorganisationen befürwortet, aber von Arbeitgebern kritisiert, denn die Änderungen würden einen erheblichen Mehraufwand verursachen. Auf den Referentenentwurf hat die CDU/CSU-Fraktion mit einem Antrag für eine bürokratieärmere Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung reagiert, welcher im Bundestag am 26. Mai beraten wurde. Nun ist abzuwarten, bis das BMAS einen Gesetzentwurf des Arbeitszeitgesetzes zur Abstimmung in den Bundestag einbringt.


APSCo hat am 28.04.23 zu diesem Thema ein Webseminar gehalten und die dazugehörige Präsentation „Hot Topics in Employment Law 2023“ für alle Mitglieder im Mitgliederbereich als Download zur Verfügung gestellt. Wir freuen uns über das gelungene Seminar und den regen Austausch.  


Tariftreue bei der öffentlichen Auftragsvergabe

Die Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, die Tarifbindung zu stärken. Nachdem das Thema vergangenes Jahr bereits diskutiert wurde, verschwand es wieder von der politischen Agenda. Aber jetzt ist es zurück: Das Bundestariftreuegesetz (BTTG) soll die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes an die Einhaltung eines repräsentativen Tarifvertrages der jeweiligen Branche binden. Ziel des Gesetzes ist es, dass zukünftig kein staatliches Geld für Lohndumping (Zahlungen/Gehälter deutlich unter dem Tarif) ausgegeben werden soll. Das heißt, überall wo der Staat als Auftraggeber auftritt, muss nach Tarif bezahlt werden. 


Bisher ist der Referentenentwurf des BMAS noch in Bearbeitung. Bevor der offizielle Gesetzentwurf des Ministeriums in den Deutschen Bundestag zur Beratung geht, hat die Fraktion DIE LINKE einen Antrag zur Stärkung der Tarifbindung gestellt, welcher im Deutschen Bundestag am 25. Mai 2023 beraten wurde. Obwohl das Gesetz noch vor der Sommerpause durch das Parlament soll, hat die Beratung des Antrages der LINKEN gezeigt, dass die Regierungsparteien sich uneinig sind: Die FDP stellt sich klar gegen die Positionen der Grünen und SPD, wodurch ein längerer Prozess für eine Einigung zu vermuten ist. Begründet wird die Gegenposition von der FDP damit, dass Artikel 9 des Grundgesetzes Menschen in Deutschland die Möglichkeit gibt sich zu Gewerkschaften zusammenzuschließen, dies aber nicht vorschreibt, wie es der Referentenentwurf des BMAS vorsieht. Eine Vorschrift fasst die FDP als einen Eingriff in die Tarifautonomie auf.

Der deutsche Gewerkschaftsverbund unterstützt das Vorhaben zur Stärkung der Tarifautonomie nach der Vorstellung von Rot-Grün und möchte, dass das Bundestariftreuegesetz neben öffentlichen Aufträgen auch Wirtschaftshilfen und Versorgungsaufträge umfasst. Arbeitgeber jedoch kritisieren, dass Tarifautonomie gegenseitiges Verständnis und Vertrauen voraussetzt und die neuen Vorgaben für Tariftreueregelungen kontraproduktiv seien. 

 


Aktuelle Vorhaben im Deutschen Bundestag


Fachkräfteeinwanderung

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist wohl das Kernthema schlechthin auf der politischen Agenda des BMAS diesen Jahres (APSCo Political Monitor Q1 2023). Der Gesetzentwurf wurde am 27. April in der ersten Lesung im Bundestag beraten. Inzwischen haben sich die Koalitionsfraktionen auf letzte Änderungen verständigt, so dass das Gesetz noch  vor der Sommerpause im Bundestag verabschiedet werden kann. 


Im Rahmen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes muss auch das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht reformiert werden, weshalb das Bundesinnenministerium (BMI) von Ministerin Faeser (SPD) kürzlich einen ersten Referentenentwurf zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts erarbeitet hat. Das Vorhaben wird vom BMI als notwendig begründet, denn die aktuelle Rechtsprechung würde die Bedürfnisse von Menschen mit Einwanderungsgeschichte nicht angemessen berücksichtigen. Zudem seien aktuell ungenügend Anreize für Integrationsleistungen gesetzt, die erforderlich sind, um Deutschland zu einem modernen Einwanderungsland zu transformieren.


Darüber hinaus ist die Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts auch notwendig, um die aktuellen Hürden für Freelancer aus Staaten außerhalb der Europäischen Union (Drittstaaten) zu senken, welche nach Deutschland ziehen und in Deutschland arbeiten möchten. Aktuell benötigen Staatsangehörige aus Drittstaaten eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit gemäß Aufenthaltsgesetz. Diese wird nur befristet erteilt. Aufbauend auf der Aufenthaltserlaubnis kann dann eine Niederlassungserlaubnis folgen, welche unbefristet erteilt wird.


APSCo hat das BMAS und BMI schriftlich per Brief unter anderem zum Thema Fachkräfteeinwanderung kontaktiert. Das BMAS hat zu unserem Schreiben Stellung genommen. Den parlamentarischen Prozess haben wir eng begleitet.


Aus- und Weiterbildungsförderung

Der Gesetzentwurf zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung sieht eine Reihe von Maßnahmen vor, um den Fachkräftemangel in Deutschland entgegenzuwirken (APSCo Political Monitor Q1 2023). In der Zwischenzeit wurde der Entwurf in der ersten Lesung am 28. April im Bundestag beraten. Nun liegt sowohl eine Beschlussempfehlung der Ausschüsse als auch eine Stellungnahme des Bundesrates vor, sodass die zweite Lesung im Deutschen Bundestag stattfinden kann. Bisher steht das Datum für die zweite Lesung jedoch noch nicht fest. 


Als vielfältige Branchenexperten bieten wir die benötigte Expertise, um bei der Aus- und Weiterbildungsförderungsstrategie der Bundesregierung zu unterstützen. Unsere Relevanz heben wir bei Gesprächen mit politischen Akteuren im Rahmen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes hervor.  

 


Weitere relevante News 


Gremium empfiehlt Kooperationsstrukturen zu stärken

Der Rat der Arbeitswelt, welcher von Minister Heil als unabhängiges Gremium 2020 berufen wurde, um wissenschaftliche Orientierung beim Wandel der Arbeitswelt zu geben, hat kürzlich seinen Arbeitswelt-Bericht 2023 veröffentlicht. Darin empfiehlt der Rat, „verlässliche Kooperationsstrukturen zwischen Unternehmen anderer Wirtschaftsbranchen und sozialen Dienstleistungsunternehmen vor Ort [zu stärken], mit dem Ziel, betriebliche und regionale Unterstützungsstrukturen und -angebote zur Stärkung einer diversitäts- und lebensphasenorientierten Personalarbeit auf- und auszubauen“ (S.91). 


Dies bietet einen ausgezeichneten Anknüpfungspunkt für APSCo, die Relevanz und Bereicherung unserer Branche beim BMAS zu unterstreichen und uns damit für unsere Anliegen und Sichtweisen Gehör zu verschaffen.


Zeitarbeitstarifverträge vom BAG als europarechtskonform bestätigt  

Neben der wieder aufgekommenen Diskussion zur Tariftreue bei öffentlichen Aufträgen stand zuletzt auch das Thema der Zeitarbeitsverträge bei dem Deutschen Bundesarbeitsgericht (BAG) auf dem Plan. Nachdem eine Zeitarbeitnehmerin Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) auf Equal Pay eingereicht hat, mit der Begründung, dass Zeitarbeitstarifverträge gegen die EU-Zeitarbeitsrichtlinie verstoßen würden, hatte der EuGH der Klägerin zunächst zugestimmt. Demnach sollten Zeitarbeitstarife sämtliche Abweichungen von Arbeits- und Entgeltbedingungen der Kunden ausgleichen.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit den Vorgaben des EuGH auseinandergesetzt und festgestellt, dass das deutsche System durch gesetzliche Vorgaben, wie dem Garantieprinzip für verleihfreie Zeiten und tariflichen Regelungen, die Zeitarbeitnehmer bereits ausreichend schützt. Die Entscheidung des BAG hat die Rechtskonformität des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) bestätigt, sowohl für unbefristete als auch für befristete Beschäftigungsverhältnisse. Personaldienstleister dürfen folglich rechtswirksam vom Gleichbehandlungsgrundsatz abweichen, insofern sie die Zeitarbeitstarifverträge von iGZ/BAP anwenden.

Diese Entscheidung begrüßen wir bei APSCo Deutschland sehr, da dieses Urteil für viele Staffingunternehmen mit Temp-Geschäften endlich Rechtssicherheit bietet. Allerdings empfehlen wir unseren Mitgliedsunternehmen, weiterhin ethischen und fairen Grundsätzen zu folgen was Equal Treatment und Equal Pay umfasst. Somit sollte der Gleichbehandlungsgrundsatz nach unserer Überzeugung immer Anwendung finden und findet sich daher auch in unseren Standardverträgen für die Arbeitnehmerüberlassung wieder. Vielen Dank an dieser Stelle an unseren Trusted Partner Taylor Wessing, der die Verträge regelmäßig prüft und aktualisiert.

 


Relevantes um und aus dem Europäischen Parlament



Die Europäische Kommission hatte bereits im April 2021 einen Entwurf für eine Verordnung zur Regulierung der Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI) veröffentlicht, allerdings haben sich die Verhandlungen in Brüssel sehr langwierig gestaltet. Nun wurde mit der Abstimmung des zuständigen Komitees der Ausschüsse für Binnenmarkt und bürgerliche Freiheiten im EU-Parlament im Mai ein erster Schritt auf dem Weg zur KI-Verordnung erreicht, denn der lang verhandelte Kompromisstext der Berichterstatter Dragos Tudorache (Renew) und Brando Benifei (S&D) wurde mit deutlicher Mehrheit angenommen.

Das Plenum des EU-Parlaments hat am 14. Juni über den Kompromisstext abgestimmt und eine Einigung erzielt. Somit können nun die Trilog-Verhandlungen mit der EU-Kommission und dem Europäischen Rat beginnen, welche sich aller Voraussicht nach herausfordernd gestalten werden. Denn zum einen vertreten das Parlament und der Rat unterschiedliche Ansichten, zum anderen haben die Vertreter der Mitgliedstaaten keine gemeinsame Position zum Thema der generativen KI bisher erarbeitet, das Parlament hingegen schon. Der anstehende Zeitdruck bringt dennoch die KI-Verordnung nun voran, denn sie soll vor den Europawahlen 2024 beschlossen werden. 


Der Geschäftsführer des deutschen KI-Bundesverbandes Daniel Abbou wurde zum Präsidenten des neugegründeten European AI Forums (EAIF) gewählt. Der europäische Dachverband wurde in der slowenischen Botschaft in Brüssel im Mai 2023 gegründet, wobei sich neun nationale und europäische KI-Verbände zusammengeschlossen haben, unteranderem aus Deutschland, Frankreich und Litauen. Gemeinsam wollen sie eine stärkere Stimme auf europäischer Ebene haben, um Unternehmertum im Bereich der KI zu fördern. Nach eigenen Angaben vertritt das EAIF mehr als 1.000 KI-Unternehmen in Europa. 


Künstliche Intelligenz und Vorgaben zur sicheren Datennutzung sind längst keine Nischenthemen mehr, sondern für unsere Mitgliederunternehmen zunehmend relevant. Deshalb haben wir das erste Mitgliedermeeting zur EU Data Regulation im Mai angeboten und werden an der Ausgestaltung weiterer Webseminare für euch arbeiten. Bei Fragen und Anregungen kommt gerne auf uns zu.

 

Plattformarbeit: Europäischer Rat erzielt Einigung

Während das Europäische Parlament bereits im Februar seinen Kompromissvorschlag verabschiedet hat, hat der Europäischer Rat bis zuletzt um eine gemeinsame Position gerungen. Unter der Moderation der Ratspräsidentschaft Schwedens wurden in den Arbeitsgruppen drei Vermittlungsversuche unternommen – mit Erfolg: Am 12. Juni hat der Rat sich auf einen gemeinsamen Standpunkt geeinigt. Dieser Schritt ermöglicht es dem Europäischen Rat, nun Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament über den Rechtsakt aufzunehmen. Da eine Reihe von Staaten nur unter Vorbehalt zugestimmt haben, werden auch hier harte Verhandlungen erwartet.


APSCo hat zum Thema eine Mitgliederdiskussion im Mai gehalten. Wir freuen uns über den intensiven Austausch, der uns hilft, gemeinsame Positionen zu entwickeln und voranzubringen. Wir möchten alle Mitglieder auf diesem Weg ermutigen, sich gerne weiterhin einzubringen. Als nächsten Schritt werden wir ein Positionspapier an Abgeordnete des Europäischen Parlaments versenden, um hier bestmöglich Eure Positionen zu vertreten und Einfluss auf die finale Ausgestaltung der Plattformarbeitsrichtlinie zu nehmen.

 

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